Noch nie haben Unternehmen so viele Mitarbeiter eingestellt wie heute. Noch nie gaben Unternehmen so viel Geld für Rekrutierungsmaßnahmen aus wie zurzeit. Und trotzdem: Noch nie waren Unternehmen vermeintlich so schlecht darin, die richtigen Kandidaten für sich zu gewinnen und zu halten. Wie kommt das, wenn beim Rekrutieren alles so klar und einfach zu sein scheint?
Das Rezept, um die richtigen Kandidaten für ein Unternehmen zu finden, erscheint vielen recht simpel: Zuerst nimmt man eine Personalbedarfsanalyse vor, um die vakanten Positionen zu identifizieren. Dann folgt die Stellenanalyse, um die Anforderungen und Eigenschaften potentieller Kandidaten festzulegen. Im Anschluss wird die Stelle bewertet, ob sie im Organigram richtig eingeordnet ist und welches Gehalt angemessen zu sein scheint. Danach werden Anzeigen geschaltet, eingegangene Bewerbungen (aus-)sortiert. Hierzu werden die vorgetragenen Fähigkeiten geprüft, Referenzen eingeholt, gegebenenfalls Persönlichkeits- und Intelligenztests durchgeführt und natürlich – der Höhepunkt eines jeden Bewerbungsverfahrens – persönliche Gespräche geführt. Und schon ist er da – der perfekte Kandidat. Aber geht dieses vermeintliche Erfolgsrezept wirklich auf? Eher nicht. Denn die heutigen Bewerbungsverfahren reichen in der Regel nicht mehr aus. Was ist also zu tun
Gewinnen Sie Ihr zukünftiges Personal mit den richtigen Konzepten. Hierfür ist zunächst wichtig zu wissen, welche Mitarbeiter Sie in Zukunft brauchen. Dabei ist die Einbeziehung der Qualitäten und Eigenschaften der bereits beschäftigten Arbeitnehmer nicht unbedingt erfolgsversprechend. Zum einen scheint jede Generation ihre eigene Arbeitsmoral und ihr eigenes Leistungsverständnis zu haben; zum anderen verändern sich die Anforderungen an die Mitarbeiter infolge des technologischen Fortschritts und der Digitalisierung rasant. Daher muss an der strategischen Zielrichtung des Unternehmens auch die strategische Personalgewinnung nebst Kultur und Werten neu ausgerichtet werden.
Unternehmen müssen sich verändern: Hierzu zählt etwa die Entscheidung, ob der Bewerber-Pool im Auswahlprozess mit möglichst vielen oder besser mit nur ausgewählten Kandidaten befüllt werden sollte. Unternehmen versuchen häufig, möglichst viele Kandidaten mit ihren Personalmarketingmaßnahmen anzusprechen. Fraglich ist, wie sinnvoll dieses Vorgehen ist: Denn es bedeutet auch: Mehr Administration, größere Fehleranfälligkeit und schlussendlich keine bessere Entscheidung bei der Auswahl des bestgeeigneten Kandidaten. Denn die Qual der Wahl hat kaum Aussagewert auf das Ergebnis der Entscheidung. Wesentlich zielführender wäre es, mit kreativen und innovativen Maßnahmen die exakte und voraussichtlich kleinere Zielgruppe anzusprechen. Dies gelingt beispielsweise DB Schenker sehr gut: Der Logistik-Riese richtet sich in Raststätten, Fitness-, Barber und Tattoostudios mit dem Slogan „Echter Schenker-Typen – was ist Ihr Laster?“ an Trucker auf Jobsuche. Und zwar persönlich, direkt und witzig. Vor allem aber an den richtigen Orten, um exakt seine Zielgruppe zu erreichen. Keine Frage: Mit dem richtigen Konzept gewinnt man das passende Personal für sein Unternehmen.
Erfolgreiche Personalgewinnung macht übrigens auch vor der eigenen Belegschaft nicht Halt. Unternehmen sollten mehr auf die Fähigkeit und das Können der eigenen Mitarbeiter setzen. Doch anstatt die eigenen Mitarbeiter weiterzuentwickeln und intern zu (be-)fördern, besetzen Unternehmen offene Positionen immer noch bevorzugt mit externen Kandidaten. Gilt hier etwa der Grundsatz: „Auswärts schmeckt‘s besser?“ Unternehmen müsste eigentlich der Appetit vergehen, wenn sie wüssten, dass externe Besetzungen mit viel höheren Risiken sowie Leistungs- und Qualitätseinbußen verbunden sind. Warum nicht die eigenen Mitarbeiter halten und binden, indem man ihnen Karrierewege im Unternehmen aufzeigt? Rekrutierung im eigenen Hause im Wege professioneller Talentpools, Mentoren- und Trainingsprogrammen sowie Ausbildungsplätzen sollte Inhalt eines jeden Konzepts zur Personalgewinnung sein.
Wichtig ist zudem: Gestalten Sie den Bewerbungsprozess schlank, verbindlich, rechtssicher und compliant. Beachten Sie neben dem Arbeitsrecht vor allem die datenschutzrechtlichen Regelungen im Umgang mit den Daten potenzieller Kandidaten. Vor allem beim Pre-Employment-Screening, der Informationsbeschaffung persönlicher Informationen im Internet und Social Media, können schwerwiegende Fehler passieren. Die Rechtsfolgen im Zusammenhang mit den neu eingeführten Straf- und Bußgeldern können nach der neu eingeführten DSGVO erheblich für Sie sein.
Seien Sie in technologischer Hinsicht State of the Art mit digitalen Bewerbungsmanagementsystemen, Karriereportalen etc. und halten Sie die digitalen Möglichkeiten der Kontaktaufnahme möglichst einfach. Vergessen Sie nicht, Ihr Bewerbungsverfahren persönlich zu nehmen. Ausschließlich auf einseitige, automatisierte Kommunikation zu setzen, wird dem Bewerber und Ihnen nicht gerecht. Der Bewerber will nämlich ein Gesicht aus dem Unternehmen sehen und nicht einseitig mit einem standardisierten Computerprogramm kommunizieren. Sie wollen ja schließlich auch keine Standardbewerbungen bekommen. Ansonsten sollten Sie sich nochmals fragen: Wer passt zu mir? Suche ich überhaupt den Richtigen? Oder anders gefragt: Habe ich das richtige Selbstbild von mir?
Das sollten Sie vor allem hinterfragen, wenn Sie auf die ganz einfache Tour setzen: Der Einsatz von Algorithmen im Bewerbungsprozess ist zwar en Vogue, aber schlecht durchdacht und lange noch nicht ausgereift. Sie sollten wissen, dass Sie es mit simplen, rückwärtsgewandten und unfairen Tools zu haben, bei deren Einführung Sie den Betriebsrat auch noch einbinden müssen. Der Betriebsrat hat ein sehr weitreichendes Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung der Algorithmen und dadurch faktisch Einfluss bei der Auswahl potenzieller Kandidaten. Nehmen Sie lieber den Bewerbungsprozess persönlich und entscheiden Sie selbst, welche Kandidaten in die engere Wahl kommen und wen Sie letztendlich einstellen wollen. Das Ergebnis wird viel besser sein.
Gleiches gilt auch, wenn Sie nicht nur passive Kandidaten ansprechen. Passive Kandidaten sind solche, die einer sicheren Beschäftigung nachgehen und gar nicht wechseln wollen. Ihre Wechselmotivation wird vor allem durch monetäre Anreize – wie höheres Gehalt, größerer Bonus, teurer Firmenwagen – gesetzt. Demgegenüber werden Bewerber, die aktiv am Arbeitsmarkt suchen, selten bis gar nicht berücksichtigt. Dieses Vorgehen basiert auf der Unterstellung, dass mit jedem, der seinen Job aufgegeben möchte oder arbeitssuchend ist, irgendwas nicht stimmen kann. Woher kommt diese Einstellung? Zumal Studien bei LinkedIn hier eigentlich zum Umdenken bewegen sollten. Diese zeigen nämlich, dass sich Arbeitssuchende, die sich als passiv beschreiben, von aktiven Arbeitssuchenden unterscheiden: Erstere lassen sich vor allem durch mehr Geld dazu bewegen, die Stelle zu wechseln. Letztere achten vor allem auf bessere Arbeitsbedingungen und Karrierechancen. Aktiv Jobsuchende berichten häufiger, dass sie mit großer Leidenschaft bei der Arbeit sind. Sie sind scheinbar ambitionierter als die passiv Arbeitsuchenden. Warum sollte man sich mit ihnen also zu lange aufhalten?
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