Nichts ist dauerhafter als die Veränderung und Veränderungen in der Arbeitswelt werden immer schneller. Ein wesentlicher Treiber des rasanten Wandels ist die exponentiell voranschreitende technologische Entwicklung, die damit einhergehende Digitalisierung und Vernetzung in den letzten Jahren.
Zuerst zeigten sich in der innovativsten Branche – der Softwareentwicklung – die neuen Anforderungen der sich verändernden Arbeitswelt in puncto Agilität als neues Credo der Industrie 4.0. Das eigens formulierte „Agile Manifest“ führender Softwareentwickler wurde basierend auf den weitreichenden Erfahrungen bei der Umsetzung von komplexen Softwareentwicklungen verfasst. Es wurden Werte und Prinzipien aufgestellt, an denen sich heute alle gängigen agilen Arbeitsmethoden orientieren. Diese Methoden werden nicht nur in der Softwareentwicklung eingesetzt, sondern mittlerweile auch branchenübergreifend angewendet. Denn für die Industrie 4.0 gilt als entscheidender Erfolgsfaktor: die Agilität.
Agilität wird mit „Dynamik, Schnelligkeit, Flexibilität, Kundenorientierung“ gleichgesetzt. Im Kontext von Arbeitsmethoden wird sie häufig mit Anpassungsfähigkeit, Transparenz, Vernetzung, Vertrauen und Selbstorganisation in Verbindung gebracht. Insbesondere die Selbstorganisation, die Entscheidungsfindung im Team sowie die Transparenz innerhalb und außerhalb des Teams gelten als wesentliche Schlüsselmerkmale agiler Arbeitsmethoden. Sie verändern die Arbeitsbeziehungen vollumfänglich und sollen als entscheidender Vorteil gegenüber den herkömmlichen Arbeitsmethoden eine erhebliche Motivations-, Leistungs- und Innovationssteigerung der Beschäftigten bewirken.
Zu den bekanntesten agilen Arbeitsmethoden zählen Scrum, Kanban und Design Thinking. Teams arbeiten meist in Großraumbüros an Projekten zusammen, deren Anforderungen nur rudimentär beschrieben und erst im Verlauf spezifiziert und angepasst werden. Das Produkt entsteht transparent zwischen den Teammitgliedern unter Einbeziehung des Kunden in kleineren, in sich abgeschlossenen Planungs- und Umsetzungszyklen. Dadurch werden Erfolge schneller sichtbar, was die Motivation erhöht und die Leistung steigert.
Dabei stellt das Konzept des agilen Arbeitens die klassische Arbeitsweise komplett auf den Kopf: Es gibt keinen Chef mehr, der das Projekt verantwortlich leitet. Die Verantwortung für die Durchführung des Projekts wird auf ein autonom agierendes Team übertragen. Das Team entscheidet selbst, wie es in wiederholenden, iterativen Schritten das Projekt zum Erfolg führen will. Diese neue Art des Arbeitens erfordert einen Wandel des Mindsets aller Mitarbeiter und Führungskräfte. Gleichzeitig bedeutet dies eine Änderung der Unternehmenskultur mit einem höheren Kommunikationsaufwand zur Abstimmung und Einbindung aller Beteiligten: Weg von hierarchischen Anweisungen hin zum eigenverantwortlichen, teamorientierten Zusammenarbeiten.
Bei der praktischen Anwendung agiler Arbeitsmethoden müssen arbeitsrechtliche Aspekte im Vorfeld geklärt werden. Insbesondere die fehlende Vorgesetztenfunktion wirft Fragen auf: Wie lässt sich die Idee von hierarchielosen Strukturen mit dem gesetzgeberischen Leitbild des weisungsgebenden Arbeitgebers vereinbaren? Wer spricht künftig Disziplinarmaßnahmen aus? Mit wem schließt der Mitarbeiter eine Zielvereinbarung ab und wer entscheidet über die Zielerreichung? Bei wem reicht der Mitarbeiter seinen Urlaubsantrag ein oder wo meldet er sich krank? Wem zeigt er Mehrarbeit an und wer bewilligt ihm eine Fortbildungsmaßnahme? All diese Fragen sind zwingend im Vorfeld zu beantworten, wenn agile Arbeitsmethoden für bestimmte Mitarbeitergruppen dauerhaft in Unternehmen eingefügt werden sollen.
Zudem ist die Einbindung des Betriebsrats zwingend erforderlich. Schließlich hat der Betriebsrat bei agilen Arbeitsmethoden ein zwingendes Mitbestimmungsrecht. Ohne seine Beteiligung können agile Arbeitsmethoden erst gar nicht eingeführt wurden. Dies bietet aber auch Chancen: Ungeklärte Frage bei der personalseitigen Führung von Mitarbeitern in agilen Arbeitsmethoden können gemeinsam mit dem Betriebsrat geklärt werden, wie etwa Arbeitszeit, Urlaubsplanung, Leistungsvergütung, Qualifizierung oder Arbeitsplatzgestaltung. In der Praxis werden agile Arbeitsmethoden in Betriebsvereinbarungen geregelt, was die Akzeptanz der betreffenden Mitarbeiter meist auch unterstützt.
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